Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle
- Johannes Wingenfeld
- 16. Sept. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Sept. 2022
Bevor ich mit dem eigentlichen Bericht beginne, möchte ich zunächst von der Vorgeschichte erzählen. Derweil liegen Jonas und Ich in der Hütte im High Camp des Potosi auf 5260m und versuchen in einem spartanischen bolivianischen Doppelstockbett endlich zu Ruhe zu kommen, während andere Gipfelaspiranten weiterhin durch die Hütte trampeln und auf der Suche nach sich selbst und ihren Dingen sind. Langsam frage ich mich wie lange man mir noch mit der Stirnlampe, die bald schon einem Scheinwerfer gleicht, in die Fresse leuchten will. Aber ganz ehrlich, was hätte ich schon von den Leuten aller Nationen anderes erwarten sollen, die teilweise das erstes Mal Fuß in eine Hütte oder gar an einen Berg setzten. Schließlich ist man ja auch von dem Superior-Hütten aus den Alpen nichts anderes außer eine aufgescheuchte, aufgeregte und umorganisierte Herde gewohnt. Naja so schnell wie ich mich aufgeregt habe, beruhige ich mich auch wieder und meine Gedanken widmen sich zunehmend der morgigen Tour die schließlich unseren ersten 6000er darstellen soll. Neben den üblichen Gedanken und Zweifeln kommt mir Majas Trinkflaschen Rechnung ins Gedächtnis, die ich nach minutenlanger Überlegung wirklich passend finde. Wie beim Auto der Sprit leer geht, so zeigt der Füllstand unseres Getränkes auch die Power an. Da ich nach einer gefühlten Stunde irgendwie immer noch nicht einschlafen kann, entscheide ich mich doch mein Handy auszukramen und alle Erfahrungen aufzuschreiben, die ich bisher über die Höhe gemacht habe und welche ich dann später weiter im Rahmen der Bachelorarbeit untersuchen möchte. Auf der einen Seite muss ich ehrlich gesagt sagen, überkommt mich ein riesiger Motivationsschub und ich freue mich auf die Arbeit. Aber auf der anderen Seite muss ich auch gestehen, dass ich beim Gedanken an die ganze Arbeit und dann auch noch das ganze Vorgestelle über die Touren und Reise überlege doch in Südamerika vielleicht unterzutauchen. Puhh, wie sollen wir das ganze Gedöns der Professorin eigentlich vorstellen? Ahja, klassisch PowerPoint. Ist aber auch irgendwie langweilig. Aber Ich könnte ja mal ein Blog über die Erlebnisse und Gedanken schreiben, wo wir vorhin noch überlegt hatten über unsere Schwätzerein ein Podcast zu drehen. Blog ist aber irgendwie was für Hippies und vor allem auch wieder ein Haufen Arbeit, denke ich mir. Auf der anderen Seite könnte man es ja auch als irgendetwas anderes verkaufen. So langsam gehe ich in die Vergangenheit unsere bisherigen Reise und merke, dass wir hier und da schon besondere Erlebnisse hatten, die es wert wären zu teilen. Beim Gedanken an all die bisherigen Ereignisse muss ich wohl nach gefühlt zwei Stunden doch noch eingeschlafen sein und das nächste was ich live mitbekomme, ist, dass Jonas ganze 10min vor dem Wecker zu früh mir gegenübersitzt und sagt er musste pissen….
Na gut hier sind wir beide also. Wer uns gut kennt, der weiß, dass wir beide nach dem Prinzip wenig Aufwand - hoher Ertrag bzw. Leistung gepolt sind. Das bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass wir nicht nach höchstmöglicher Leistung streben. Ich würde sagen, wir sind hier und da einfach bisschen gemütlicher und versuchen die Schlupflöcher bestmöglich auszunutzen und vor allem mögen wir es nicht mit unserer Meinung nach schlechten Leistungen zufrieden zu geben, was wiederum meistens klar und deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Diese Kombination bietet eigentlich die Grundlage für unsere komplette Reiseplanung, welche konkret im Wintermentoring 2021/22 (ja diese Chance haben wir uns auch nicht eingehen lassen) ihren Lauf nahm. Ich könnte jetzt ein komplettes Buch über die Planung dieser Reise schreiben - schließlich wollten wir eben keine All-Inclusive Reise oder alla Peter Giesel Abzocke. Bedeutet Hoher Aufwand = verschieben wir auf ein anderes Mal.
Am 23.07. stopfe ich mir mal wieder abends genüsslich einen Burger rein, während ich am Flughafen von Pristina mir mehre Sprachnachrichten von Jonas anhöre, aus der mein Hirn es schafft zu filtern, dass er 2 Tage lang durchgeschlafen hat und wortwörtlich getroffen von irgendeinem neuartigen Virus komplett am Arsch ist. Beste Voraussetzungen für den Start unseres Trips am 24. Naja, Cool bleiben denke ich mir. Zumindest bis mein Flug nach 3x Verspätung kurz vor Mitternacht natürlich auch noch gestrichen wird. Einfach so und ohne Rücksicht auf Verluste. Glaubt ihr etwa an irgendeinem Flughafen im Kosovo gibt es nur ein Personal, welches sich darum kümmert wie 200 wütende Albaner und Kosovaren Essen, Hotel, geschweige denn einen Ersatzflug bekommen? Dann habt ihr falsch gedacht. Aufjedenfall rufe ich Jonas an, der plötzlich wieder in den Modus Operandi schalten kann und irgendwie eine Maschine um 04:00 nachts für Sage und Schreibe 55€ auftreiben kann. Wie das meistens also bei uns so ist. Erst Jonas down, dann ich down und Jonas wieder im Modus. Lektion: Wo Schatten ist, ist auch Licht, also immer weiter dranbleiben und alles dafür gebeb, dass es am Ende doch noch irgendwie klappt. Schlussendlich darf ich mal wieder 3 geile Stunden am Flughafen auf der BW-Mehrzweckunterlage pennen, die langsam wirklich Gold wert ist und komme um 10 Uhr in meiner Bude an. Dusche, Kram schnell zusammenraffen und dann um 14Uhr mit einem Gepäck, welches natürlich dermaßen Übergewicht hat, dass wir Mühe haben es rumzuschleppen, nach Paris um dann am 25. nach München zu fliegen. Man fragt sich zu Recht wieso in aller Welt die beiden Helden am vorherigen Tag mit dem Zug von München nach Paris eiern um dann zurückzufliegen. Die Antwort ist tatsächlich relativ einfach, wenn auch gestört. Die Verbindung München-Paris-München-Rio kostet uns keine 400 Tacken, während wir für den Flieger von München, in dem wir dann ja auch von Paris einsteigen würden direkt mal mind. 1000€ mehr zahlen würde. Ganz ehrlich, der Umwelt zu Liebe zahlen wir keine 1000€ mehr (Pro Person!), nur weil die Politik es nicht schafft an den richtigen Schrauben hinsichtlich Klimapolitik zu drehen. Aufjedenfall sind wir uns einig, Klimaschutz ist definitiv wichtig, aber auch letztendlich eine Frage des Geldes und wer sich diesen Luxus eben leisten kann. Dazu später mehr…
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